WILDFORSCHUNGSTELLE
DES LANDES
BADEN-WÜRTTEMBERG
bei der Staatlichen Lehr— und Versuchsanstalt für Viehhaltung und
Landvirtschaft
3.11. 1994
Bericht der WFS zum Sachstand bez. der
Ausbildung und Bewertung von
Jagdgebrauchshunden in Kunstbauanlagen (Schliefanlagen)
Entsprechend
den Auftrag des MIR wurden von der WES zur Frage der
Ausbildung
und Bewertung von Jagdgebrauchshunden in Schliefanlagen —
umfangreiche Recherchen durchgeführt (z.B. bei anderen
Instituten
und Fachleuten) ,— Daten erhoben und ausgewertet (u.a. zur aktuellen
Situation in Baden—Württemberg)
,— Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt (u.a. in der
Stellungnahme
vom 18.08.1993) ,—
die Vorführung einer Schliefanlage und der Schliefarbeit für Mitglieder
des Landesbeirats für Tierschutz und Vertreter des MLR organisiert,—
Vorschläge zu eventuellen Alternativen geprüft sowie
in
Zusammenarbeit mit Vertretern der Erdhundeverbände in der
Arbeitsgruppe "Schliefanlagen"
konkrete Ergebnisse erarbeitet.
Zusamenfassende Darstellung des Sachverhalts:
1. Notwendigkeit der Fuchsbejagung, Effektivität der B«xienjagd und
Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schliefarbeit:Die
WFS stellt fest daß die Bejagung des Fuchses aus wildbiologischer Sicht
und aus seuchenhygienischen Gründen unabdingbar ist und im öffentlichen
Interesse mit allen zur Verfügung stehenden jagdlichen Methoden
intensiviert werden muß. Entsprechende Empfehlungen werden auch von
Veterinärämtern und der WHO zunehmend mit Nachdruck geäußert.
Vom KLR vurde mit
Erlags vom 12.07.1994 (Az: 35-9121.26) die Impfmaßnahme im Frühjahr 1994
sowie die verstärkte Bejagung der Füchse angeordnet. In Ergänzung dieses
Erlasses wurde mit Schreiben
vom 19.08.1994 wegen spontaner Tollwutfälle im Landkreis Waldshut das
Impfgebiet ausgedehnt. In dem Schreiben wird speziell darauf hingewiesen,
das das Tollwutgeschehen im Regierungsbezirk Freiburg noch nicht zum
Erliegen gekommen ist und weiterhin die Gefahr der Einschleppung in
ehemals tollwutfreie Gebiete bestehe. Der isoliert vom derzeitigen
Seuchengeschehen aufgetretene Tollwutfall in einer Schafherde in
Stühlingen verdeutliche diese Gefahr. Das RP Freiburg wird
gebeten,
Uber die Kreisjagdämter nochmals auf die verstärkte Bejagung und die
Einsendung erlegter Füchse durch die Jägerschaft hinzuwirken (entsprechend
die FD Freiburg) . Eine intensivierte Bejagung
wirkt gleichzeitig der Ausbreitung des für den Menschen gefährlichen
Kleinen Fuchsbandwurms und der Räude entgegenDie Bejagung des Fuchses ist
aber nicht nur unter dem Aspekt der Seuchenbkämpfung
zu sehen. Natürliche Feinde des Fuchses wie
Luchs oder Wolf fehlen bei
uns; der Fuchs zählt dagegen zu den "Gewinnern"
in der Kulturlandschaft. Befinden sich Beutetiere des Fuchses auf sehr
niedrigem Dichteniveau (im sog. "Räuber loch")
können
hohe Fuchsbesätze zu einer weiteren Dezimierung und sogar zur ernsthaften
Gefährdung der Beutetierbestände führen. In Baden—Württemberg gilt dies
z.B. für Auerwild, Birkwild,Haselwild,
Rebhühner, Wiesenbrüter (Brachvogel, Kiebitz etc.) und
gebietsweise
auch für den Feldhasen. Die Arbeitsgruppe Haselwild
Baden—Württemberg
empfiehlt in ihrem Merkblatt "Dem Haselhuhn helfen"
(WFS 1993) der Jägerschaft, durch die Jagd auf Fuchs und
Marder
dem Haselhuhn überleben zu helfen. Eine intensive Bejagung
des
Fuchses kann dennach auch aus Gründen des Natur— und
Artenschutzes
geboten sein.
Nach
Recherchen der WFS ist die Bodenjagd in Baden—Württemberg
eine
der effektivsten Bejagungsarten des Fuchses, auf die keinesfalls
verzichtet werden kann. Zur effektiven und tierschutzgerechten Ausübung
der Bodenjagd ist die Einarbeitung und Bewertung von Erdhunden in
Schliefanlagen notwendig. Die Bewertung
dient gleichzeitig auch der zielgerichteten Jagdgebrauchshundezucht.
In ganz BW werden an 12 Schliefanlagen etwa 40-50 Füchse gehalten. Die
aktuelle Zahl hängt davon ab, wie viel Nachzucht anfällt und ob den
Schliefenwarten
zusätzlich mutterlose Fuchswelpen (u.a. auch von
örtlichen
Tierschutzvereinen) übergeben werden.
Die Füchse erreichen nicht selten ein Alter von 10 bis 12 Jahren. (Zum
Vergleich: In freier Wildbahn wird nur etwa ein Viertel der Füchse zwei
Jahre alt, und bis zu 10 Jahre alte Tiere kommen nur
als
absolute Ausnahmen mit ungefähr einem halben Prozent in den
Populationen
vor. Nach Labhard 1990.
Da im Winterhalbjahr wegen Frostes i.d.R. keine Schliefarbeit erfolgt,
sind diese rund 50 Füchse während des Sommerhalbjahres (mit Schwerpunkten
im Frühjahr und Herbst) im Mittel an rund drei
Kalendertagen
pro Monat durchschnittlich für etwa 20 bis 30 Minuten der Schliefarbeit
in Einsatz. Dabei beträgt die Zeit, in der sich der Hund und der Fuchs an
Schieber jeweils nur etwa
10 bis 15 Minuten. (Die restliche Zeit wird zum Absuchen
der Bauanlage
und zum Überwinden der Hindernisstrecke durch die Hunde
verwendet.
)
Demgegenüber stehen in Baden—Württemberg pro Jahr im Durchschnitt
rund
130 Erdhunde, die an Schliefanlagen eingearbeitet und
bewertet
werden und anschließend dem praktischen Jagdbetrieb
sowie der Jagdgebrauchshundezucht zur Verfügung gestellt werden.
(Ungeeignete Hunde können bereits bei der Einarbeitung ausgeschieden
werden.) Nach Erhebungen der BFS wird geschätzt, das allein mit der
Bodenjagd, einer von etwa 15 möglichen Jagdarten auf den Fuchs, weit mehr
als ein Fünftel der Jahresgesamtstrecke an Füchsen in in Baden
Würtenberg erzielt wird
(also
eine Größenordnung von über 10.000 erlegten Füchsen) Die
WFS
sieht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Schliefarbeit
uneingeschränkt gewahrt.
2. Tierschutzkonformität der Schliefarbeit:
Nch Auffassung der WFS sind bei der Schliefarbeit keine
Konflikte mit den
Tierschutzgesetz gegeben.
Die Schliefarbeit stellt für die Füchse keine Belastung dar,
der
sie nicht gewachsen sind.
Wie
der WFS bei weiterführenden Recherchen auf Anfrage vorab
mitgeteilt
wurde, zeigen die Ergebnisse von Untersuchungen am
Tollwutzentrum
Nancy zur Herzpulsrate von Schliefenfüchsen, das bei der Schliefarbeit nur
eine ganz unwesentliche, physisch und psychisch
offensichtlich völlig unbedenkliche Erhöhung der Herzpulsrate
erfolgt, die vor allem durch die Fortbewegung in
der
Anlage bedingt ist, Zudem müssen die Füchse bei der
Schliefarbeit
nur artspezifische Verhaltensweisen zeigen und sind an Menschen, Hunde und
die Anlage gewöhnt.
Schliefarbeit
ist keine Abrichtung oder Prüfung auf
Schärfe.
Schärfe ist in diesem Zusammenhang unzutreffend.
Er darf nicht mit Jagdpassion und
Härte verwechselt werden. Der Hund folgt dem Fuchs ausschließlich aus sozial motiviertem
Beuteerwerbstrieb,
der nichts mit Aggression zu tun hat. Diesedem Jagdhund als Erbe seines Vorfahrens, des
Wolfes erhalten
geblieben und ist eine der entscheidendsten für
die Arbeit der Hunde. Ohne diese Eigenschaft
ein
Hund kein brauchbarer Jagdhund, weil praktisch alle
die
der Hund beim Jagdeinsatz zeigen muß, darauf aufbauen, (z.B. auch die Nachsuche
auf krankgeschossenes Wild) . bedeutet
im Zusammenhang mit der Schliefarbeit und der Bodenjagd, daß der Hund
unempfindlich ist gegenüber Dunkelheit, Kälte, Nässe und Alleinsein in
fremdem, unwegsamen Terrain, daß er die
Anwesenheit des Fuchses nicht fürchtet und versucht, ihn durch
Nachrücken von allen Seiten zum Verlassen des Baus zu bringen. Ziel der Schliefarbeit
ist es, die Hunde mit den Gefahren vertraut zu machen, die ihnen bei der Bodenjagd im Naturbau
begegnen können, und ihre jagdliche Eignung festzustellen.
Bei der
Schliefarbeit
und der Bodenjagd wird der Hund nicht auf den Fuchs gehetzt.
Der Hund wird lediglich zur
Suche und zum Stöbern (unter der Erde) angesetzt wie bei anderen Jagdarten
auch. Das Schliefen der Erdhunderassen stammt aus dem Verhaltensrepertoire
des Wolfes . Im
übrigen gehört nach Auffassung der WFS die Ausbildung der
Jagdgebrauchshunde
als notwendige Vorbereitung untrennbar zur ordnungsgemäßen
und gesetzeskonformen Jagdausübung.
Prüfung von
Vorschlägen zu eventuellen Alternativen:
Vorgeschlagen wird
gelegentlich, in den Schliefanlagen keine lebenden Füchse einzusetzen,
sondern einen toten Fuchs an einer Schnur durch die Anlage
zu ziehen und den Hund folgen zu lassen.Diese Vorgehensweise
würde jedoch keineswegs das gewünschte Ergebnis
erzielen, sondern wäre im Gegenteil regelrecht kontraproduktiv. Die Hunde
würden nämlich falsch konditioniert (geprägt)
. Bei er Schliefarbeit sollen sich die Hunde mit
möglichen
Gefahren vertraut machen. Dazu gehört u.a. , das sie
lernen,
daß der Fuchs eine wehrhafte Wildart ist. Der
Schliefenfuchs gibt dies
dem Hund durch Scheinattacken, Knurren und
Fauchen hinter dem Schieber deutlich zu erkennen. Wird
dagegen
ein toter Fuchs durch das Röhrensystem gezogen, folgen
die
meisten Hunde (animiert durch den Geruch des toten Fuchses , der sehr wohl
von dem eines lebenden unterschieden wird) in
blindem
Eifer, packen und beuteln den Fuchs und ziehen ihn rückwärts aus der
Anlage. Diese Erfahrung kann dann bei einem
späteren Einsatz im Naturbau fatale Folgen haben und zu
unvorsichtigem
Einschliefen, zu Auseinandersetzungen und Verletzungen
führen. Dies soll durch die Ausbildung unter
Einsatz von lebenden Füchsen jedoch gerade verhindert werden.
Die
Verwendung eines toten Fuchses würde dem Tierschutzaspekt in Bezug auf die
Hunde und Füchse zuwiderlaufen.
Außerdem besagt das Herausziehen eines toten Fuchses (reine
Apportierleistung)
nicht das geringste über die Eignung eines Hundes für die Bodenjagd (und
für die Erdhundegebrauchszucht) , bei
der einerseits das furchtlose Nachrücken und Bedrängen des lebenden
Fuchses von verschiedenen Seiten ohne
Auseinandersetzungen,
und andererseits entsprechende Vorsicht und
Einhaltung eines Sicherheitsabstandes entscheidend sind. Manche Hunde
schliefen zudem in eine Anlage mit einem toten
Fuchs
gar nicht ein, weil die Erdhunde nicht zu den ausgesprochen
apportierfreudigen Gebrauchshunderassen gehören.
Darüberhinaus
soll der Hund bei der Schliefarbeit seine
angeborenen
Anlagen zu erwünschten Lautäußerungen (Verbellen
des
Fuchses in nicht zu großer Entfernung) bzw. zu
unerwünschten
Lautäußerungen (Bau laut = Bellen ohne Anwesenheit eines Fuchses) zeigen.
Dies ist im erforderlichen Vergleich ausschließlich unter Einsatz eines
lebenden Fuchses möglich.
Der Vorschlag, die
Hunde in Kunstbauen im Revier an Wildfüchsen einzuarbeiten und zu
bewerten, wird von der WFS ebenfalls als ausgesprochen problematisch und
unter dem Tierschutzaspekt bedenklich angesehen. Lernelemente wie Fall-
und Steigrohr,Kamin,
Engstelle und Hindernisstrecke sind in Revierkunstbauen nicht angelegt. Im
Gegensatz zur Schliefanlage existiert keine sofortige, direkte
Eingriffsmöglichkeit, da die Revierkunstbaue aus festen Betonröhren ohne
abnehmbare Abdeckung bestehen und in
den Erdboden eingegraben sind. (Lediglich der "Kessel" in dem sich meist
der Fuchs befindet, kann nach Abtragen der Erdschicht
geöffnet werden) . Ohne das der unerfahrene Hund vorher die Möglichkeit
hatte, unter kontrollierten Bedingungen zu lernen,
daß Füchse wehrhaft sind und Vorsicht geboten ist, wird
er
im Revierkunstbau mit einem oder sogar gleichzeitig mehreren
Wildfüchsen
konfrontiert, die den Bau bezogen haben. Eine solche
Situation
soll gerade durch die Einarbeitung an Schliefanlagen vermieden werden.
Zudem ist eine objektive Beurteilung der Eignung der Hunde (u.a.
auch im Überwinden von Hindernissen) unmöglich, da keine dem
Naturbau nachempfundenen sowie standardisierten Bedingungen vorliegen und das Geschehen nicht beobachtet
werden kann.
Der Vorschlag, die Erdhunde ohne vorherige Einarbeitung und
Bewertung
an Schliefanlagen unmittelbar bei der Bodenjagd im Naturbau einzusetzen,
wird von der WFS noch kritischer gesehen als eine Einarbeitung im
Revierkunstbaue Unvorbereitet wird der Hund mit möglichen Gefahren
konfrontiert, das Geschehen kann nicht beobachtet werden, und es besteht
oft keinerlei Eingriffsmöglichkeit.
Zur effektiven und
tierschutzgerechten Jagdausübung gehört auch die möglichst optimale
Ausbildung der Jagdgebrauchshunde. Der Einsatz von ungenügend
vorbereiteten Hunden ist heute nicht mehr zu vertretenen.
Die
Prüfung von Vorschlägen zu eventuellen Alternativmethoden ergibt, daß zwar
Verbesserungen möglich sind (s.u.) , aber keine gleichwertige
Alternative zur Bewertung von
Erdhunden
an Schliefenanlagen in Sicht ist.
Schlußfolgerungen der WES:
Nach
sorgfältigem Abwägen des Sachverhalts kommt die WFS zu dem
Schluß,
daß die Ausbildung von Erdhunden in Schliefanlagen für die ordnungsgenäBe
(und anordnungsgemäße) Fuchsbejagung unabdingbar, das bei der
Schliefenarbeit vernünftige Gründe, Notwendigkeit und
Verhältnismäßigkeit gegeben sind, und das keine
Konflikte mit den Tierschutzgesetz zu erkennen sind.
Ergebnisse der
Arbeitsgruppe SchIiefanIagen:
Von der WFS wurde die
Arbeitsgruppe "Schliefanlagen l' einberufen, die aus Vertretern
der Erdhundeverbände in Baden Württemberg und aus Vertretern der WFS (Dr.
M. Pegel; G. Thor) besteht. Der Auftrag
des an die WFS wurde den Mitgliedern der Arbeitsgruppe erläutert und die
Wünsche und Anregungen des Landesbeirats
für Tierschutz wurden ausführlich dargelegt
Als zentrales Ergebnis
der festzuhalten, . das alle Erdhundeverbände bei der
Einarbeitung und Baueignungsbevertung von Hunden in Schliefanlagen
sovie der Haltung der Füchse in Gehegen verbindlich Prinzipien anwenden.