Auszug aus

    Diezels

Niederjagd

Karl Emil Diezel geb.1779 verstorben 1860

 

Das  Dachsgraben

 

Um 1820 wird der folgende Bericht von Diezel entstanden sein. Jeder Baujäger wird sich darin wiederfinden können.

„Nur der ist imstande, die Wahrheit der Behauptung, dass das Graben zu den angenehmsten Jägerfreuden gehört, einzusehen, der es als Besitzer eines guten Hundes im Herbst selbst mitgemacht hat. Welche Freude gewährt es, den kleinen Kämpfer mutig in die Röhre einkriechen zu sehen! Jeder winkt dem anderen mit der Hand, still zu sein, und sucht sich ein Plätzchen zum Horchen. 

Alles stille! Einer sucht in den Mienen des anderen zu lesen, ob er nichts höre. 


Nichts! Die Hoffnung fängt schon an zu sinken! Da und dort steht mancher verdrießlich vom Boden auf und will seinem Unmut Worte geben, da ruft einer der Geduldigen, die liegengeblieben waren, ein bezauberndes St! Stille! Horcht!

Sobald sich jeder von der Wahrheit überzeugt und den ersehnten Laut gehört hat, ist er auch sogleich bereit, seine Meinung über die Gegend zu sagen, woher der Laut kommt. Jeder legt das Ohr an den Platz, den der Jäger als den richtigen bezeichnet, und bestätigt seine Angabe, wobei jeder nach Hacke und Schaufel usw. ruft, um die Arbeit zu beginnen.

Mühsam wird von den Arbeitern der Einschlag` oder Kasten` nach Angabe des Jägers gemacht; langsam geht, trotz der größten Eile, das Werk vonstatten, von Zeit zu Zeit neigt einer oder der andere das Ohr, um zu vernehmen, ob der Hund noch auf demselben Platz vorliege, da ertönt der Schreckensruf: Der Hund ist still! Alles legt sich nieder, um sich von der Wahrheit der Jammer verbreitenden Nachricht zu überzeugen.

Nichts zu hören! Da zieht Hoffnungslosigkeit wieder in alle Herzen ein, und nur der Jäger bleibt ruhig, der als ein guter Feldherr die Burg des Belagerten mit Kennerblick übersieht und nachdenkt. Jeder sucht halb vertrauensvoll, halb verzweiflungsvoll etwas aus dem Gesicht des Waidmanns zu lesen, der ganz kalt befiehlt, den Einschlag weiterzuführen und nur noch mehr in die Länge zu ziehen.

Da schütteln die meisten der Anwesenden gewaltig den Kopf und scheinen diese Maßregel durchaus nicht für gut zu halten; allein unverdrossen und voll Vertrauen bleiben die Arbeiter, die aus Erfahrung wissen, dass sie auf diese Art sicher zum Ziele gelangen. Endlich, unter großer Ungeduld der Zuschauer, wird eine Röhre erreicht, und alle drängen sich voll Erwartung hinzu, doch nichts ist zu sehen, nichts zu hören; vergebens strengt jeder sein Gehör nach Möglichkeit an, um einen Laut des Hundes zu vernehmen - und immer mutloser wird die Schar. 

Da hört man auf einmal ganz deutlich, und näher, als man zu hoffen gewagt, den tapferen ,Bergmann`, und triumphierend, ja die Furcht der Zweifler fast ein wenig verhöhnend, blickt der Jäger um sich und kann es sich nicht versagen, unter die Befehle, die er erteilt, Worte des Lobes für seinen Hund zu mischen; er wirft sich auf den Boden, lauscht, springt voll Gewissheit, dass der Kampfplatz gefunden sei, wieder auf, mit einer Hacke schlägt er heftig die Erde, lauscht dann wieder und lässt endlich, überzeugt, dass der Belagerte keinen Zufluchtsort mehr habe und die letzte Schanze schon erstürmt werde, die letzte Vertiefung des Einschlages machen.

Mit doppeltem Eifer geht man an die Arbeit, immer deutlicher wird Bergmann` gehört, und öftere Schmerzenslaute des Angreifers lassen schließen, dass der Kampf sehr heiß sei. Kann auch der Jäger in diesem Augenblick keine tätige Hilfe leisten, so ist er doch bemüht, durch Zuruf den Gegner seines Schützlings zu schrecken und den Mut des Hundes aufs höchste anzuspornen.

Endlich wird die mühevolle Arbeit belohnt; der hohle Ton, den die Hacke erzeugt, und der schmutziggraue Boden lassen die Röhre erwarten, und vorsichtig sucht der Herr des Hundes sie zu gewinnen; doch die Vermutung bestätigt sich, dass sie nicht gerade auf den Dachs, sondern auf den Hund treffen, der, als er die Hilfe so nahe sieht, mit wahrer Wut seinem Feinde zu Leibe geht. Alles drängt sich um den Einschlag, um Zeuge des Kampfes zu sein; allein nur der angreifende Teil ist sichtbar, wie er bemüht ist, die sich stets erneuernde Schanze niederzureißen und dem Belagerten keine Zeit zu lassen, ein größeres Bollwerk aufzutürmen.

Schon wird von manchem Unkundigen der Vorschlag gemacht, nachzugraben, um an den Dachs zu kommen, doch lächelnd schweigt der Jäger zu diesem wie zu manchem anderen Rate und sucht sich aus der Gesellschaft den Schießbegierigsten heraus, um ihm die Freude zu machen, den Dachs zu erlegen. Bald ist er gefunden, denn unter mehreren, die die Flinte ergriffen haben, zeichnet sich einer durch den brennenden Blick, mit dem er gleichsam die Erde durchbohrt, durch die schussfertige Stellung, durch das Zurückdrängen der anderen so sehr aus, dass man leicht den Neuling erkennen kann und der Jäger die Überzeugung gewinnen muss, dass gerade diesem der Ruhm, den alten Burgherrn gefällt zu haben, unschätzbar sein werde.

Mit manchem scheelen Seitenblick auf den Begünstigten wird von der übrigen Gesellschaft der Ausspruch vernommen, dass diesem, als dem jüngsten, die Ehre des Schusses zuteil werden soll! Doch ehe dem Erkorenen der Platz am Einschlag eingeräumt wird, lässt der Jäger erst vorsichtig die aufgegrabenen Röhren rückwärts verstopfen und nimmt den vorliegenden Hund an. Jetzt wird der Schütze angestellt: Schussfertig erwartet er den grauen Höhlenbewohner, und jeder drängt sich, soviel der Raum es gestattet, hinter ihn, um Zeuge des Heldenwerks zu sein. Da auf einmal zeigt sich der Feind und will schnell in die gegenüberliegende Röhre fahren; allein wie so manches Vorhaben in der Welt unausgeführt bleibt, so auch dieses, denn kaum blickt er heraus, so streckt ihn schon ein wohlangebrachter Schuss nieder. Dieser Schuss gibt das Signal zu allgemeiner Unordnung: Menschen, Hunde, alles stürzt über den Hingesunkenen her, um sich am Herausziehen zu beteiligen."

Der eigentliche Monat für die Baujagd auf den Dachs ist der November, was nicht heißen soll, dass man nicht schon in der zweiten Oktoberhälfte und, bei offenem Wetter, auch noch im Dezember graben kann. Ist die Witterung milde und sind die Dachse voraussichtlich noch allnächtlich außer Bau, dann kann man durch nächtliches Verwittern nicht bejagbarer Mutterbaue mit Petroleum den Feistdachs zum Aufsuchen eines in der Nähe befindlichen kleineren und besser zu grabenden Baues zwingen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die letzte der üblichen Jagdarten auf den Fuchs ist die Baujagd im engeren Sinne des Wortes, also das Heraustreiben, das Sprengen des Fuchses aus dem Bau durch Erdhunde, insbesondere durch Teckel oder kleine Terrierrassen. Leider ist zu der Zeit, da diese Zeilen geschrieben werden, in einem großen Teil unseres Vaterlandes durch die Verseuchung der Fuchsbesätze mit Tollwut zu dieser aufregenden und lohnenden Jagd keine Gelegenheit gegeben, denn wo die Tollwut auch nur an einem Fuchs, im Umkreis von 50 bis 60 km, festgestellt ist, hieße es unverantwortlich gegen Mensch und Hund handeln, wollte man die mutigen kleinen Jagdgehilfen in die Baue entsenden, wo sie der Gefahr einer Infektion durch den Biss eines an Tollwut erkrankten oder das Virus in sich tragenden Fuchses ausgesetzt sind.

Besteht diese Gefahr nicht, dann begibt man sich gewöhnlich an einem trüben und nassen Wintertage ins Revier. Die Füchse stecken einmal in der lauten Zeit, wenn im Walde die Blätter fallen oder die Herbststürme morsche Aste und Zweige herunternehmen, auch wohl einige Stämme entwurzeln, im Bau; zum anderen bei Schlackerwetter, vor allem, wenn gegen Morgen ein starker Guß ihnen lästig fällt. Ferner in der Ranzzeit, und dann oft zu mehreren. So ergibt sich ganz natürlich für die Baujagd die Zeit vom Oktober/November bis zum Februar. Darüber hinaus übt sie der waidgerechte Jäger, wenn er nicht muss, nicht aus, denn der Balg ist dann schäbig, der Dachs, der ja vielfach mit dem Fuchse die Behausung teilt, hat seine Jungen gewelpt oder auch ein zeitiges Geheck der Frau Ermeline ist schon vorhanden (im Rheinland wurden z. B. 1937 und 1938 Jungfüchse schon Anfang März gefunden, die im letzten Februardrittel gewelpt sein mussten!), von dem man unter normalen Umständen den Bauhund fernhält.

 

Man beginnt den Jagdgang in den Vormittagsstunden, bald nach Hellwerden, denn was da von der roten Sippe überhaupt zu Bau geschnürt ist - auch bei dem abscheulichsten Wetter ist es immer nur ein Teil des Besatzes -, das steckt dann. Um nun diese Füchse mit Sicherheit zu bekommen, dafür vermittelt uns DIEZEL folgende Regeln:

1. „Man begibt sich ohne alles Geräusch und möglichst leise auftretend auf den Bau, lässt

den Dachshund schliefen, nimmt schleunigst den zum Schießen geeigneten Platz ein und

macht sich schussfertig. Ist der Bau groß und der Hund scharf, so springt der Fuchs oft

augenblicklich und so schnell, dass man bei der geringsten Verzögerung statt der er

hofften Freude nur das leere Nachsehen hat."

2. „Sollte der Fuchs nach längerer Zeit nicht springen wollen, sondern stets auf derselben Stelle im Bau verweilen und sich verbellen lassen, so lässt man den Hund nach dem herauskommen in eine andere Röhre ein, weil er so dem Fuchs vielleicht von hinten beikommen und ihn so zum Springen nötigen kann."

3. „Hat auch das keinen Erfolg, so hilft zuweilen ein kräftiges Stampfen mit den Füßen oder sonstiges Gepolter über dieser Stelle den Fuchs zu vertreiben, womit dann dem Hunde das Ankommen erleichtert, und der Fuchs zum Ausreißen gezwungen wird."

4. „Hat der Erdhund dem Fuchs scharf zugesetzt, jedoch schließlich von ihm abgelassen, dann leint man ihn an und wartet eine Weile; dem Fuchs war der unerwünschte Besuch höchst ungemütlich, und er wird, die Wiederholung eines solchen fürchtend, sich gern aus dem Bau verdrücken und dann, wenn man ihn ruhig und gut verborgen erwartet, noch erlegt werden können. Mitunter wird freilich die Geduld des Jägers dabei auf eine harte Probe gestellt, und es kann vorkommen, dass der Abend heranrückt und die Dunkelheit allen weiteren Unternehmungen ein Ende setzt." Bei welcher Jagdart aber ist das nicht der Fall?

5. „Wenn zwei Füchse in einen Bau eingefahren sind, nicht aber in einem Rohr beisammenstecken, dann sucht oft derjenige, den der Hund nicht vorhat, sich unbemerkt davonzustehlen." Es wäre also falsch, nur auf die dem dumpfen Lautgeben aus der Erde nächste Ausfahrt zu achten, wie denn überhaupt zwei oder gar drei Schützen bei großen Bauen erwünscht, ja fast unentbehrlich sind.

6. „Will man bei Schützenmangel einige Röhren versperren oder, bevor man unverrichteter Sache abziehen muss, den ganzen Bau verschließen, um es später nochmals auf die eine oder andere Art zu versuchen, so bedient man sich dazu am besten langer, dünner Stangen oder Aste, die nach und nach mit dem dicken Ende so weit wie irgend möglich in die Röhren hineingeschoben werden, bis diese alle fest verstopft sind. Hierdurch wird dem roten Räuber das Ausgraben, da er tief im Baue damit anfangen müsste, weit mehr erschwert, als wenn man zum Einschließen Steine und Erde nimmt, die er bald forträumt."

Nur bei kleineren Bauen kann man dem fruchtlos vorliegenden Hund durch einen Einschlag zu Hilfe kommen; doch erfordert das meist eine langwierige und darum kostspielige Arbeit, die heute fast ausschließlich beim Dachsgraben aufgewandt wird: sie soll daher bei diesem genauer geschildert werden. Dass man das Graben der Jungfüchse, wenn es einmal nötig wird, sich gleichfalls ersparen kann, hat wohl als erster der Forstassessor Dr. Behrendt erprobt, als er sich vor die Aufgabe gestellt sah, eine größere Anzahl von Jungfüchsen zum Zwecke der Wildmarkenforschung zu markieren: Behrendt wartete, bis die Zeit gekommen war, da die Jungfüchse hin und wieder den Bau verließen, um vor den Einfahrten sich zu sonnen und zu spielen, und schickte dann einen nicht übermäßig scharfen Teckel in den Bau, der die erschrockenen Kerlchen mühelos in vorgelegte Kaninchen oder Dachshauben sprengte. Auf diese Weise konnte er ihrer bequem habhaft werden, und auf diese Weise kann auch der Waidmann, wo es Not tut, der Vermehrung des Fuchses im Niederwildrevier steuern, ohne sich mit dem ihm so unsympathischen Kindermord zu belasten; Abnehmer für die kleinen Gesellen finden sich ja meist.

In niederwildreichen Kulturlandschaften machen in der Setz- und Brutzeit bekanntlich raubende Fähen, die ihr Gehecke oft in einem recht weit entfernten Walde haben, bisweilen großen Schaden, ohne dass es gelingt, sie in dem deckungsarmen Gelände zu erwischen. In diesen Fällen hat sich der Kunstbau sehr bewährt. Man kam zu den Gedanken wohl durch die häufig gemachte Beobachtung, dass Füchse im Felde gern in trockenstehenden Durchlässen, Dränageröhren und dergleichen stecken und an solchen Örtlichkeiten wohl gar ihr Geheck großziehen, wie ich das einmal sogar im Walde beobachtet habe. - Kunstbaue werden versteckt in Feld oder Wiese angelegt an Stellen, wo es an natürlicher Deckung mangelt, insbesondere der nächste Wald kilometerweit entfernt ist, die aber doch von Menschen nicht allzu häufig begangen werden. Sie bestehen gewöhnlich aus zwei einfachen, U-förmig angelegten Röhren , zu denen man weite Dränagerohre, aber auch. Bretter oder Bohlen verwenden kann. In der Mitte wird aus Brettern, Dachziegeln oder ähnlichem ein bequemer Kessel gebaut. Die Abknickung der Röhren ist notwendig, weil der Fuchs, wie jeder andere Baubewohner einschließlich des homo sapiens, in seiner Behausung keinen Zug vertragen kann. Die Bedachung des Kessels kann, wenn sie aus einem Stück besteht, mit einem Ring versehen sein, so dass sie sich mit einem Griff abheben lässt; zweckmäßig liegt sie also nicht zu weit unter dem Erdboden. Solche Kunstbaue werden gern angenommen und liefern, vor allem im Spätherbst, wenn die Felder leer sind, oft reiche Strecken. Sie bieten also ein gutes und waidmännisch einwandfreies Mittel zur Regulierung der Besatzstärke, freilich nur dort, wo es an anderer Deckung mangelt. Darüber hinaus steckt sich sehr gern auch anderes Wild in ihre Röhren, insbesondere der mit der Waffe kaum zu bejagende Iltis, aber auch Wiesel, streunende Katzen und - Kaninchen. So kann ein passionierter Jäger an einem Kunstbau manche Freude haben.

Es hat Mühe genug gekostet, die ebenso zweckwidrige wie kostspielige, ethisch verwerfliche Vergasung der Fuchsbaue von unserem roten Gesellen zeitweise einigermaßen abzuwenden! Übrigens ist nach dem zumindest in allen Ländern Westdeutschlands bestehenden Tellereisenverbot der Eisenfang des Fuchses kaum noch möglich, denn der gefährliche, zu Regressansprüchen Anlass gebende Schwanenhals kann, außer im Hochgebirge, in unserer übervölkerten Heimat nur noch sehr beschränkt verwendet werden.

         

Schon damals gab es die Einteilung nach Gewicht